1. Liebe Charlotte & liebe Nhu-Ha, ich freue mich sehr, dass ich euch und Lotta Ludwigson als Teil unserer Female Founder Community vorstellen darf. Erzählt doch gerne ein wenig über euch und euer Unternehmen. 

Vielen, lieben Dank für die Gelegenheit uns hier vorzustellen. Wir sind Charlotte und Nhu-Ha, zwei gute Freundinnen, ehemalige Arbeitskolleginnen aus der Berliner Startup-Szene und jetzt Co-Gründerinnen von Lotta Ludwigson. Gemeinsam haben wir den Mut gefasst unsere Jobs zu kündigen, um uns Vollzeit unserer Vision einer zirkulären und nachhaltigeren Modeindustrie zu widmen. Obwohl wir unterschiedliche Fähigkeiten und Hintergründe mitbringen, verbindet uns eine starke Portion Idealismus sowie eine tiefe Bewunderung für das traditionelle Textilhandwerk, ein ausgeprägtes Interesse an Mode, Kunst und Menschen sowie die feste Überzeugung, dass Unternehmen durch verantwortungsvolles Handeln einen wertvollen Beitrag zu einer zirkulären Welt leisten können.

Mit Lotta Ludwigson als Slow Luxury Marke schaffen wir faire, zirkuläre und zeitlose Business Kleidung für Frauen, um Ästhetik und holistische Nachhaltigkeit zu vereinen. Hierbei setzen wir hauptsächlich auf zertifizierte Naturmaterialien, folgen der Cradle-to-Cradle Philosophie im Designprozess, produzieren in kleinen Mengen und arbeiten mit kleinen, teilweise rein Frauen-geführten Manufakturen innerhalb der EU zusammen. Zudem spenden wir für jedes verkaufte Produkt an unser Herzensprojekt Sparsa in Nepal, das sich für mehr Aufklärung rund um Menstruationsgesundheit, zirkuläre Produktion von Hygieneprodukten und Female Empowerment einsetzt. Neben unserem "Flaggschiff"-Produkt, dem ersten 100% biologisch abbaubaren Hosenanzug (bestehend aus Blazer und Anzughose), bieten wir auch Pullunder, Rollkragenpullover aus feinster mulesingfreier Schurwolle, eine Bluse aus Bio-Seide (made in Germany) sowie verschiedene handrollierte Bio-Seidentücher vom Comer See an.


2. Was kann man sich unter zirkulärer & regenerativer Mode vorstellen und weshalb ist sie so wichtig?

Eigentlich läuft aktuell fast ALLES falsch in der Modeindustrie. Wir befinden uns nicht nur im Zeitalter von Fast Fashion, sondern mittlerweile schon von Ultra Fast Fashion. Manche Unternehmen bringen tausende Modeartikel pro Tag heraus, die unter menschenunwürdigen Bedingungen produziert werden und aus billigen und toxischen Materialien im Übermaß hergestellt werden, damit sie nach wenigen Malen Tragen letztlich zu Textilmüll werden. Laut der Ellen MacArthur Foundation, landet jede Sekunde ein Äquivalent einer LKW-Ladung an Textilien auf der Mülldeponie oder wird verbrannt. Weniger als 1% aller Textilien werden überhaupt wieder zu neuen Textilien recycelt. Die meisten Textilien werden downcycelt, verbrannt oder illegal in der Natur entsorgt. Ein trauriges Beispiel hierfür ist z.B. die Atacamawüste, die mittlerweile so viele und hohe Textilberge hat, dass sie sogar aus dem Weltraum aus sichtbar sind. Dieser Textilmüll wird vermutlich mehrere hunderte Jahre (da die Kleidung, die dort abgeladen wurde, nicht aus biologisch abbaubaren Materialien sind, sondern meistens aus Polyester oder einem Polyester Gemisch) dort liegen bleiben und den Boden & Grundwasser verschmutzen.

Das Schlimmste an dieser Situation und dem zugrundeliegenden, linearen Wirtschaftsmodell ist, dass es so gar nicht sein müsste. Man könnte Kleidung kreislauffähig designen, indem man sie so entwirft, dass sie wieder zu einer Ressource für etwas Neues werden und endlos in Ressourcenkreisläufen zirkulieren kann. Das Konzept von “Abfall” würde vollständig eliminiert werden. Diese Philosophie nennt man Cradle-to-Cradle und wir bei Lotta Ludwigson entwerfen unsere Kleidung danach. Kleidung sollte also nicht nur fair hergestellt werden und aus langlebigen, gesunden Materialien bestehen, sondern auch so entworfen sein, dass sie niemals zu Textilabfall wird. Dafür muss sie recyclebar (textile-to-textile recycling) oder biologisch abbaubar sein. Man imitiert quasi den Kreislauf der Natur, in der es keinen Abfall gibt, denn jeder “Abfall” ist wieder Ressource für etwas anderes.


3. Bis zum fertigen Kleidungsstück erfordert es viele Produktionsschritte. Wie seid ihr vorgegangen, um eure Lieferanten zu finden und was waren eure Kriterien für die Auswahl?

Den ersten Prototypen haben wir in Auftrag gegeben, als wir noch in unseren vorherigen Vollzeitjobs arbeiteten. Vor der Herstellung eines oder mehrerer Prototypen (und damit des ersten zu 100% biologisch abbaubaren Hosenanzugs für Frauen) investierten wir fast 1,5 Jahre in Forschung und Entwicklung (R&D). Das war notwendig, da wir eigene Stoffe und Schulterpolster entwickeln lassen mussten. Solche Materialien waren auf dem Markt nicht ohne Plastik, toxische Chemikalien und faire Herstellung erhältlich. Da wir zu diesem Zeitpunkt noch keine rechtlich gegründete Organisation waren, mussten wir eine Produktionsagentur einschalten, da Lieferant*innen sonst nicht bereit waren, mit uns in Kontakt zu treten oder Geschäftsbeziehungen aufzubauen. Mit dieser Produktionsagentur, die einen starken Fokus auf Nachhaltigkeit und Kreislauffähigkeit legt, arbeiten wir auch heute noch zusammen. Sie haben jahrzehntelange Expertise im Sourcing & Produktionsmanagement und verfügen über wertvolle Kontakte zu Lieferant*innen. Das war besonders für uns, die aus dem Ingenieurwesen und aus dem Innovationsbereich kommen, ein echter Game-Changer.

Wir haben bereits an einigen Messen und Konferenzen teilgenommen, jedoch haben uns die Messen bisher nicht maßgeblich vorangebracht. Konferenzen hingegen gefallen uns gut, da wir auch sehr am akademischen und wissenschaftlichen Exkurs zum Thema Kreislaufwirtschaft und nachhaltigen Lieferketten in der Textilindustrie interessiert sind. Charlotte hat auch schon selbst wissenschaftliche Artikel dazu veröffentlicht oder Gastvorlesungen an der Uni gehalten, daher ist es besonders für sie immer wichtig, auf dem neuesten Stand zu sein. Im Januar waren wir auch in Davos, um das Thema Kreislaufwirtschaft in der Mode mehr an den Tisch der Entscheidungsträger*innen aus Politik und Wirtschaft zu bringen.


4. Ihr habt sehr erfolgreich eine Crowdfunding Kampagne durchgeführt - herzlichen Glückwunsch dazu! Was sind eure Learnings & was braucht es eurer Erfahrung nach, um das Fundingziel zu erreichen?

Von der Idee bis zum Go-Live vergingen weniger als 4 Wochen. Der Grund für die spontane Kampagne war, dass wir im Rahmen der Berlin Fashion Week als "Aspiring Designers" ausgewählt wurden. Wir durften unsere Anzüge auf dem Runway präsentieren und in einem Showroom ausstellen. Obwohl wir zunächst die großartige Gelegenheit annahmen, merkten wir bald, dass wir noch keine Website und keinen Webshop hatten. Da die Abwicklung einfach schneller vonstatten ging, inklusive des gesamten dahinterliegenden Bezahlprozesses, und wir sowieso Geld benötigten, um eine erste richtige Produktion vorzufinanzieren (zu diesem Zeitpunkt hatten wir nur Prototypen), entschieden wir uns für eine Crowdfunding-Kampagne. Was dafür benötigt wird? Definitiv ein gutes und hochwertiges Kampagnenvideo, coole Produkte zum Vorbestellen zu unterschiedlichen Preispunkten (man kann sich auch mit anderen Marken zusammen tun, die eine ähnliche Philosophie haben), sowie viele großartige Freund*innen und Bekannte, die den Link zur Kampagne direkt am ersten Tag über Social Media teilen, um auf der Startseite höher gerankt zu werden. Ansonsten hilft es, während der Kampagnenlaufzeit auf viele Veranstaltungen zu gehen und einfach JEDER PERSON von seiner Crowdfunding-Kampagne zu erzählen.


5. Wie wichtig sind Netzwerken & Events beim Gründen und habt ihr Tipps, wie gutes Networking gelingen kann?

Der Begriff “Networking” ist oft negativ konnotiert, obwohl das Zusammenkommen und Vernetzen ein wesentlicher Bestandteil beim Gründen ist. Hier entstehen Verbindungen, es wird Wissen ausgetauscht, voneinander gelernt, unterstützt und der Weg für potenzielle zukünftige Geschäftsbeziehungen geebnet. Hier sind einige

Tipps, wie erfolgreiches Networking gelingen kann:

1. Sei authentisch!

Statt oberflächliche Beziehungen anzustreben, sollte das Ziel sein, echte und authentische Verbindungen zu schaffen. Anstelle des reinen Austauschs von Visitenkarten oder LinkedIn-Profilen sollte man wirklich echtes Interesse am Gegenüber entwickeln. Fragen stellen, zuhören und selbst bereit sein, eigene Einsichten und Gedanken zu teilen, sind dabei essenziell.

2. Langfristige Perspektive

Beim Networking geht es um langfristige Beziehungen. Man sollte keinesfalls darauf abzielen, einen kurzfristigen Nutzen für sich zu erlangen (Menschen merken, wenn jemand nur auf den eigenen Vorteil bedacht ist, und das spricht sich schnell herum). Es geht darum, langfristige und vertrauensvolle Verbindungen auf Augenhöhe aufzubauen. Daraus können neue Geschäftsbeziehungen, Kollaborationen oder sogar in manchen FällenFreundschaften entstehen, aber das benötigt eben auch Zeit.

3. FOMO Adieu

Gerade in einer Großstadt wie Berlin gibt es täglich unzählige Networking-Events das ganze Jahr über. Da kann einem manchmal ganz schwindelig werden. Die Auswahl ist zwar toll, weil man zu jedem Thema Menschen findet, mit denen man sich austauschen kann, aber auf Dauer kann das auch anstrengend sein, wenn man nach einem langen Arbeitstag weitere Stunden Networking dranhängt. Unsere Empfehlung ist, öfter darauf zu hören, was man selbst gerade braucht, um den Marathon des Gründens auch gut und gesund durchhalten zu können. Statt sich der FOMO (Fear of missing out) hinzugeben, also lieber auch mal einen Abend alleine, mit Freund*innen oder Familie verbringen.

4. Netzwerken kann man erlernen

Dir fällt Networking generell nicht so leicht, weil es nicht deinem Naturell entspricht? Die gute Nachricht ist, dass man “Networking” erlernen kann. Je öfter man zu solchen Events hingeht, desto leichter fällt es einem mit der Zeit. Ein guterTipp ist  zudem immer, als einer der Ersten da zu sein, dann kommt man meistens mit den Gastgeber*innen oder anderen Gästen leicht ins Gespräch, bevor sichüberhaupt erst Grüppchen bilden können.

6. Was sind eure Business Wünsche & Träume für 2024?

Oh, wir haben viele Pläne! Dieses Jahr werden wir einen ganz besonderen neuen Anzug Style launchen, und wir hoffen natürlich, dass dieser ein voller Erfolg wird. Denn so viel können wir schon verraten: "Dopamin Dressing” funktioniert und hilft dabei, im Alltag selbstbewusster und zuversichtlicher seine Ziele zu erreichen. Stay tuned.

Außerdem hoffen wir auf weiterhin großartige Zusammenarbeit mit anderen nachhaltigen Marken und gemeinsame Pop-up-Events. Zudem möchten wir auch unsere Eventreihe "Suit Affairs" weiterentwickeln, um einen Ort zu schaffen, an dem tolle Frauen zusammenkommen und unsere Stücke live und in Farbe erleben können. Unsere engen Beziehungen zu Lieferant*innen wollen wir durch weitere Produktionsbesuche intensivieren. Gleichzeitig setzen wir uns weiterhin dafür ein, Aufklärung im Bereich Zirkularität und Nachhaltigkeit in der Modeindustrie voranzutreiben. Und auf dem Weg dahin wollen wir natürlich immer mehr Menschen erreichen und von unserer Vision, die Modeindustrie Stück für Stück zirkulärer und nachhaltiger zu machen, begeistern.

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Wenn du mehr über Charlotte & Nhu-Ha erfahren möchtest, schaue gerne hier vorbei:

Zur Website: www.lottaludwigson.com/de
Zu Instagram: @lottaludwigson

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